Fr�her als mein Uropa noch ein junger Mann war, haben sich die jungen Leute auch
geliebt und haben geheiratet. Die Eltern achteten darauf, dass ihre Kinder anst�ndig erwuchsen und ordentlich
heirateten. Es gab �berall gro�e Familien. Auf dem Lande war das so, dass derjenige der das Elternhaus erben sollte
nicht fr�her heiraten durfte, als bis alle seine Geschwister verheiratet waren. Er musste auch jedem seinen Erbanteil
auszahlen.
Die jungen Leute lernten sich sehr oft durch Vermittlung kennen. Es gab damals
Heiratsvermittler, die diesen zur Heirat verhalfen. Die Heiratsvermittler machten das nat�rlich nicht umsonst. Oft
geschah es, dass ins Elternhaus der jungen Frau ein Mann mit einem J�ngling kam, den Eltern der Jungfrau diesen
vorstellte und lobte wie gut und arbeitsam dieser doch sei, doch das wichtigste war, wie viel Morgen Ackerland, Vieh
oder Geld die Tochter als Mitgift bekommt. Erst als sich die Eltern der Jungen Leute einig wurden, durften sich diese n�her
kennen lernen, das jedoch nur unter Aufsicht der Eltern. Die Zeit als der junge Bursche das M�del besuchte nannte man Soulyty.

Johann Smarzly und Hedwig Smarzly geb. Moritz, Reitersdorf 1956
In meiner Familie war es so als sich mein Uropa und meine Uroma kennerlernten.
Uropa Johann ist alleine mit seiner alten Mutter geblieben. Seine Schwestern waren
bereits verheiratet. Er war bisher zu keinem M�dchen auf Soulyty gegangen. Bevor er aber in den Krieg (1914-1918) ging,
suchte er einmal den Kretscham in Reitersdorf auf, traf dort seine Freunde und sagte zu einem „Josef, du hast f�nf
T�chter, lass mir eine, wenn ich vom Krieg zur�ck komme, dann werde ich sie heiraten“. „Gut Hannys, geh in
den Krieg und komme wieder gl�cklich heim, dann kriegst du eines der M�dchen“ antwortete Josef Moritz. Der Krieg
ging zu Ende, Uropa ist heimgekehrt und heiratete Uroma Hedwig. Er war damals 44 Jahre alt und Uroma 32.
Sie lebten zufrieden, waren gl�cklich und wurden Eltern von drei Kindern. Und wenn auch
die Zeiten sehr schwer waren hatten sie Freude an ihren Kindern und es ging ihnen gut. Auf einer kleinen Landwirtschaft
hatten sie Arbeit genug. Das Feld bearbeiteten sie mit K�hen. Getreide s�ten sie mit den H�nden. Als die Ernte kam,
sch�rfte Uropa die Sense und m�hte und Uroma ging hinter ihm her raffte das Getreide und fasste es in Snopki (B�ndel)
zusammen. Dann stellten sie Modeliki (Garben) auf. Das Getreide fuhren sie dann mit den K�hen auf dem Drabiniauk
(Kuhgespann/Leiterwagen) in die Scheune wo es in den Ssomsh�k (Banse- Teil der Scheune, wo die Garben vom
Erntewagen entladen und gepackt werden) entladen wurde. Im Winter wurde das Getreide mit dem Dreschfl�gel
ausgedroschen. Aus dem Roggenstroh wurden Seile gemacht, die f�r das Binden von Gerste gebraucht wurden. Mit dem Korn
fuhren sie in die M�hle um es zu mahlen. Aus dem Mehl wurde dann Brot gebacken. Neben dem Ofen stand der �urauk
(Topf f�r den Sauerteig) aus dem so manches mal schon der Sauerteig heraustropfte. Der Sauerteig wurde gebraucht
zur Zubereitung des Teiges f�r das Brot. Uroma holte eine Dzieschka (Backtrog - rundes Holzfass in dem der
Brotteig �ber Nacht zum Ansteigen eingelegt wurde) an den Ofen und mischte aus Mehl, Wasser und Sauerteig die
Teigmasse f�r das Brot. Im Flur stand der Wi�lauk (Brotofen). Uroma z�ndete im Wi�lauk Feuer
an, teilte die Brotmasse in P�tzynki (Brotleibe), legte diese in Ssomionki (Brotformen aus Stroh) ein,
bestrich diese mit Wasser, machte auf ihnen Kreuze, legte die geformten Brotleibe aus den Ssomionki auf eine Holzschippe
und schob diese in den Ofen. Im ganzen Haus roch es bald nach frischgebackenem Brot. Sie melkte auch die K�he und aus
der Milch machte sie Saure Milch, Quark, sammelte den Rahm aus der Milch und schlug ihn zu Butter. Daraus formte sie Fontshiki
(St�cke Butter zu ein Pfund = ca. 0,5 Kg) welche sie mit sch�nen Blumenmustern schm�ckte und verkaufte diese
dann.
Sie kam so zu Recht wie alle Frauen auf dem Lande dieser Zeit. Als eines der Kinder
krank wurde oder erk�ltet war, bereitete sie warmes Wasser zu, goss es in eine Sch�ssel und lie� das Kind seine F��e
darin w�rmen. Den Hals beschmierte sie mit G�nsefett, den sie in einem kleinem Bunzlauer Topf f�r Medikamente
aufbewahrte. Sie goss auch hei�en Tee aus Linde, Holunder oder Getreidesut auf, die sie im Sommer gesammelt und
getrocknet hatte. Den Tee gab sie dem kranken Kind zu trinken und legte auch noch aufgeheizten Ziegelstein ins Bett.
Meine Uroma kleidete sich in Volkstracht. Sie ging in einer K�tzka (weibl.
Rock, von der H�fte bis an oder �ber die Knie reichendes Oberbekleidungsst�ck), Jupa (Joppe= �rmellose,
Taillenlose Jacke / Hausjoppe, Lederjoppe /getragen �ber dem Hemd ./mhd. jop(p)e, juppe „Wams, Jacke,
Frauenrock“,/ ital. giuppa „Jacke, Wams“) und Soupaska (Sch�rze - um die H�ften
gebundenes Kleidungsst�ck- f�r den Alltag) und trug auf dem Kopf einen Tuch. F�r Sonntage und Feiertage hatte sie
bessere Gew�nder, wie die Maselonka (Rock/Schaube aus Musselin), Jupa mit Webmustern, Seidensch�rze mit h�bschen
Rosenmustern und f�r den Kopf eine mit Blumen gestickte oder geh�kelte Tibetka (Kopftuch) oder ein Plejtuch (Stola
- schalartiger Umhang f�r Frauen). Diese Kleider hatte sie sch�n geordnet in einer Schublade in der Kommode
liegen. Die Haare hatte sie glatt gek�mmt, in einen Zopf gewickelt, in einen Kranz gedreht und mit Haarnadeln zusammen
gehalten.
Meine Uroma war eine harte Frau. Es gab au�er Gott und der Obrigkeit keinen vor dem sie
Angst hatte. Sie hatte einen ernsten Gesichtsausdruck, sah bisschen aus als w�rde sie immer leicht l�cheln, doch in
Wirklichkeit l�chelte sie nur sehr selten, denn die Kinder wurden erwachsen und der Kummer wuchs. Die S�hne wurden in
den Krieg genommen und die junge Tochter, welche ein Jahr nach der Verm�hlung Zwillinge zur Welt brachte starb mit
einem der S�uglinge. Sie war 24 Jahre jung. Das �berlebende Kind zogen Uropa und Uroma gro�.
Mein Uropa war ein guter und ein sehr gottesf�rchtiger Mensch. Neben dem Haus steht
heute noch eine Glocke die der Uropa jeden Mittag und Abend zum „Ave Maria“ l�utete. Er zog seine M�tze
aus, h�ngte diese an den Zaunpfahl, l�utete und als er zu Ende gel�utet hatte, nahm er die M�tze wieder in die H�nde
und betete fromm.
In die Kirche hatte er sehr weit zu gehen. Er ging unterm Stock �ber den Feldweg
bergauf, geradewegs �ber Chmielnik bis nach Kerpen. Im Winter, wenn Schnee fiel, wurde es noch schwieriger. Manchmal
gab es solche Schneeverwehungen, dass man den Weg nicht mehr sah.
Uroma musste ihm das Oberhemd nicht b�geln, da er am Hals eine Forengla (Vorhemd
-Hemdbrust, wird hinten am Kragen u. im R�cken mit Kn�pfen geschlossen wird) trug. Diese war gen�ht aus schwarzem
Samt und hatte drei Perlmutkn�pfe als Schmuck angen�ht. Er spielte gerne auf dem Akkordeon. Seine
Lieblingsmelodie war „sa studaom na rzytze pajsie dziaucha kaczyce, kaczyce (hinter der Scheune am Fluss h�tet
ein M�dchen die Enten, die Enten)“. Dieses Lied hat Uroma oft vorgesummt, als sie ihre Enkel in den Schlaff
wiegte. So haben diese das Lied von ihr gelernt. Im Winter sa� Uropa am Ofen und rauchte seine Fajfka (Pfeife).
Sie lebten zufrieden und erlebten ein greises Alter. Geblieben sind von ihnen
Fotografien, manche Erinnerungsst�cke und Erinnerungen.
Andreas Smarzly
Januar 2003